Christopher Kinnel, New Business & Marketing Director von Octagon Germany, im Interview über die Bedeutung von Sport-Vereinen als Marke und deren Entwicklung.

Warum betrachtet Ihr (aus der Sicht eines Dienstleisters) Sport-Vereine als Marke?

CK: Diese Sichtweise haben wir mit Sicherheit nicht exklusiv. Eine wachsende Zahl an Clubs beschäftigt sich mit ihrem Selbstverständnis und demzufolge mit dem eigenen Markenbild. Und aus meiner Sicht völlig zurecht - ob das über interne Strategie-Prozesse oder den tiefen Blick in die eigenen Fan-Reihen geschieht: Ein Club sollte immer mehr sein als nur ein Wappen auf der Brust von Spieler:innen, mehr als ein Stadion oder eine Arena und in jedem Fall mehr als sein Management.

Viele Anstöße gehen schon weit über den Begriff der Marke hinaus. Es wird diskutiert, ob nun ein Club ein Media-Haus oder z.B. ein Kultur-Haus sei. Zweifelsfrei aber tut ein Verein gut daran sich die gleiche Frage zu stellen, die wir unseren Kunden auch stellen: Wofür steht Ihr? Was macht Euch einzigartig und welche Rolle übernehmt ihr im Leben derer, die mit Euch in Kontakt kommen? Und das bitte über Euer Produkt (am Beispiel Bundesliga: 90 Minuten Fußball) hinaus. Die Antworten auf diese Fragen geben gerade heute eine essentielle Orientierung und sollten dringend gefunden werden. Beim Beispiel Bundesliga bleibend gilt ja besonders der eigene Anspruch, den Fußball wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.

Welche Bedeutung (auch für die Vermarktung) hat Brand Building für Sport-Vereine und wird diese in Zukunft steigen?

CK: Die kurze Antwort: Eine große Bedeutung und ja, ich gehe davon aus, dass die Relevanz stetig steigen wird – und das ist keine allzu steile These. Hier herrscht in meinen Augen Konsens. Eine fundiert visualisierte und artikulierte Markenidentität bietet mehr Potential zur Differenzierung im «Kampf um Sponsoren» als es harte Fakten wie die Zahl der Stadionbesucher:innen und Social- Media-Fans könnte. Hier wird skaliert, aber nicht differenziert. Unternehmen wollen vielmehr die Rolle eines Partners als eines Sponsors einnehmen. Nicht falsch verstehen: Ich glaube auch in Zukunft wird es reine Mediabuchungen geben um die schiere Reichweite eines Vereins zu nutzen. Bei richtigen Partnerschaften mit Storytelling-Potential und einem echten Miteinander hilft Brand Building natürlich von Beginn an, die Marschrichtung und eine gemeinsame Vision zu greifen. Wir sehen, dass in einer Vielzahl von Briefings und Pitches «weiche» Faktoren eine zunehmend große Bedeutung einnehmen. Neben den Performance-Indikatoren wird der Umgang mit gesellschaftlich relevanten Themen entscheidend sein. Soll nicht heißen, dass Brand-Building zu einem Selbstläufer in der Vermarktung führt – keinesfalls. Allerdings sollte man hier seine Hausaufgaben machen. Denn die Marke und damit auch ein Commitment zu wichtigen Themen ist planbar. Der sportliche Erfolg leider weniger.

Wie wichtig sind Themen wie Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility und Zukunftsfähigkeit für die Entwicklung einer Marke und warum?

CK: Immens wichtig. Das sage ich aus persönlicher Überzeugung wie auch mit dem Blick auf die Ansprüche, die der Sport an sich stellt. Fritz Keller sagte angesprochen auf die Rolle des Fußballs in der Corona-Pandemie: “Der Fußball ist in unserer Gesellschaft fest verankert. Daraus erwächst für uns eine große Verantwortung.“ Und in meinen Augen sehen das die Fans genauso. Der Umgang mit dem eigenen ökologischen Fußabdruck, mit Vielfalt und Inklusion, mit Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette muss diesem Anspruch gerecht werden. Bleiben wir beim Fußball: Mainz05 als erster klimaneutraler Club und St. Pauli mit einem kommunizierten und gelebten Anspruch an Vielfalt und Inklusion. Das sind nur zwei Beispiele, die Schule machen, die inspirieren und auch durch gute und langanhaltende Partnerschaften sowie eine immense Identifikation unter den Fans belohnt werden. Und das ohne den großen sportlichen Dauererfolg. Kurzum: Wenn ich die Frage beantworten will, wofür ich stehe, komme ich an großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit nicht vorbei. Das ist wünschenswert und mit einer jungen Generation, die für eben diese Werte tendenziell stärker eintritt als ihre Eltern es tun, auch wirtschaftlich unerlässlich.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen sportlichem Erfolg und der Stärke einer Marke?

CK: Ich sehe schon in beide Richtungen eine Beziehung. Zum einen erleichtert sportlicher Erfolg die Schärfung der eigenen Marke. Durch große und anhaltende Sichtbarkeit dringt die Identität eines Clubs und der handelnden Protagonisten wesentlich einfacher an die Öffentlichkeit. Dazu kommt, dass Prämien, Media-Einnahmen Ticket-Erlöse uvm. höher ausfallen und somit ein – absolut gesprochen – größerer Betrag in die Markenarbeit fließen kann. Andersherum sehe ich – wenn auch einen indirekten – einen nachweislichen Zusammenhang: Wenn die eben angesprochene Mechanik greift, neue und «bessere» Partnerschaften durch die Arbeit an der Marke zu gewinnen, Fans länger zu binden und dadurch größere Einnahmen zu erzielen, können diese Mehreinnahmen natürlich in den sportlichen Erfolg investiert werden. Damit setzt sich unter Umständen eine Spirale in Bewegung.

Lassen sich die bisherigen Aussagen auch auf andere Bereiche und Branchen übertragen?

CK: Davon bin ich überzeugt. Auch jeder Verband und jede Veranstaltungsreihe, der / die sich glaubhaft mit der eigenen Marke auseinandersetzt, versteht den eigenen Mehrwert deutlich besser. Antworten auf die Frage nach dem «Warum?» stiften hier ebenso Identifikation und schaffen ein vermarktbares Profil abseits von Zahlen, Daten und Fakten.

Welches Potential seht ihr in der Markenentwicklung bzw. im Sponsoring von unterklassigen (2. und 3. Ligen) Sport-Vereinen?

CK: Unterklassiger Sport kann natürlich weniger mit Reichweite und meist auch nicht mit überregionaler Präsenz glänzen (Ausnahmen bestätigen hier die Regel – siehe St. Pauli). Daher liegt das (Differenzierungs-)Potential viel stärker in einer klar artikulierten Marke. Die finanziellen Mittel können meist nicht aus dem sportlichen Erfolg heraus generiert werden - also braucht es dieses Profil. Potentiellen Partnern einen Ausblick auf die Reise, auf die sie mit dem Verein gehen können, zu geben, ist hier ein wunderbares Mittel, um langfristig gemeinsam wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg zu erreichen.

Kontakt

Octagon Germany
Christopher Kinnel (New Business & Marketing Director)
E-Mail: Christopher.Kinnel@octagon.com
Web: octagon.com/germany 

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