Am Tag nach der Bekanntgabe des Harry-Kane-Transfers erzielte der FC Bayern München einen Rekordumsatz bei Trikotverkäufen. Nach Lionel Messis Wechsel zu Inter Miami stieg die Instagram-Follower-Anzahl des Club-Accounts in kürzester Zeit um mehr als 600%. Und das ist kein Zufall.

Ausrüster und Partner der amerikanischen Fussball-Liga MLS wie adidas und Apple waren mit in den Transfer involviert. Sie gewähren im Zuge des Vertrags Messi zukünftig Anteile am erwirtschafteten Gewinn der Unternehmen. Die Reichweite und den Einfluss, den einzelne Spieler haben können, ist Sponsoren scheinbar bewusst. Zumindest in den USA. Ist das auch in Europa so? Sind Einzelsportler wichtiger als ganze Vereine? Was bedeutet der Athleten-Hype für Vermarkter, Vereine und Sponsoren? Wir haben im Netzwerk nachgefragt.

Nachhaltige Partnerschaft

Allgemeingültig lässt sich die Frage, ob ein Rechtenehmer ein Athleten- oder ein Club-Sponsoring eingehen soll, nicht beantworten. Zu viele Parameter sind in der Bewertung zu klären, allen voran die Frage: Welches Ziel hat der Sponsor? Marken-Awareness? Sales? Image?

Um das volle Potenzial zu heben, bietet sich eine Club-Partnerschaft an – gekoppelt an einen Einzelathleten-Vertrag. Das breite Asset-Portfolio,  dass Vereine anbieten können, kann durch die Verknüpfung mit einem Athleten – als Gesicht der Partnerschaft - optimal aktiviert und emotionalisiert werden. Somit ist eine 360 Grad Aktivierung an Wettkampf und Nicht-Wettkampftagen garantiert. Das Storytelling Dreieck aus Verein, Athlet und Sponsor kann dadurch nativ und glaubwürdig aufgesetzt werden. Der Sponsoring-Nehmer kann dadurch eine breite Zielgruppe ansprechen: die Community des Vereins erweitert um die Athleten-Sympathisanten.

Nicht „entweder, oder“, sondern „UND“ führt zu einer zielgerichteten und nachhaltigen Partnerschaft.

Maximilian Sommer, Director Sports, Sponsoring & Athletes, LOBECO

Neue Vermarktungsmodelle

Ähnlich wie im US-Sport, in dem Top-Athleten traditionell die Gesichter von Franchise-Teams sind, gewinnen Sportpersönlichkeiten auch bei uns zunehmend an Einfluss und Popularität, während ihre Verhandlungsmacht steigt. Sie sind nicht nur Spieler, sondern auch eigene Medienkanäle, Markenbotschafter und Influencer.

Rechteinhaber stehen vor der Herausforderung, ihre Vermarktungsmodelle anzupassen. Ein möglicher Ansatz könnte sein, die individuellen Rechte der Athleten zu sichern, um diese nicht nur im Kollektiv, sondern auch einzeln zu vermarkten. Equity- sowie andere Performance-basierte Leistungsmodelle, die Athleten stärker an den Ergebnissen ihrer Vermarktungsaktivitäten teilhaben lassen, sind ebenfalls denkbar. Diese Veränderungen und der Machtverschiebung erfordern eine verstärkte Einbindung der Athleten in strategische Klubentscheidungen, Vermarktungsaktivitäten und die Verteilung von Erlösen, sei es aus Lizenzen oder Sponsoring.

Tendenziell führt dies zu komplexeren Vertragsvereinbarungen, die genau festhalten, welche Vermarktungsaktivitäten von Athleten erwartet werden und was es zu unterlassen gilt. Das Gleiche gilt auch auf der Sponsorenseite, da diese explizit festhalten wollen, welche exakten Leistungen von einzelnen Athleten des Rechtehalters (Verband, Liga, Team) zu erbringen sind. Die Herausforderung für Vermarkter und Sponsoren besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen Einzelpersonen (Athleten) und Teamdynamik zu finden. Dieser Wandel eröffnet neue Möglichkeiten, erfordert aber flexiblere Strategien in der Sportvermarktung.

Pascal Sommerhalder, Managing Director, SportsPass360

Risikominimierung & Trikotverkäufe

Im Rahmen von Sponsoring-Engagements im Sport muss sich jeder Sponsoring Interessierte auch die Frage des Risikos stellen, die er mit einem solchen Commitment eingeht. Dies betrifft nicht nur den finanziell eigenen Teil (also kann ich als Unternehmen die vereinbarten Verpflichtungen über den besprochenen Zeitraum einhalten? Siehe Negativbeispiele Teamviewer – Manchester United oder DigitalBits – AS Roma und Inter Mailand), sondern auch den Beitrag des Gesponserten (also werden die versprochenen Leistungen wie Reichweite, sportlicher Erfolg etc. eingehalten?). Letzteres ist beim Teamsponsoring  breiter – auf mehrere Sportler - verteilt, während beim Einzelsponsoring Krankheiten, Formschwächen oder privates Fehlverhalten eines Athleten gleich das gesamte Engagement nach unten reißen können. Dafür ist ein Athletensponsoring i.d.R. preiswerter als ein Teamsponsoring. Wie immer gilt, dass ein sponserndes Unternehmen auch mit dem Erfolg im Sport wachsen kann, d.h. je früher ein Unternehmen ein Talent oder eine ambitionierte Mannschaft für sich entdeckt, desto besser dürfte sich das Preis-Leistungsverhältnis für den Sponsor entwickeln.

Innerhalb der letzten 15-20 Jahre hat sich die Medienlandschaft und die Vermarktung von Einzelpersönlichkeiten (celebrity brands) völlig verändert, was nicht ohne Auswirkungen auf das Sponsoring im Allgemeinen als auch auf das Team- und Athletensponsoring im Besonderen geblieben ist. Durch starke Online-Aktivitäten von Sportlern einerseits – seien es Teamspieler oder Einzelsportler mit immens hohen Followerzahlen – und durch systematische Markt- und Markenpositionierung andererseits (tlw. mithilfe starker Marken als Sponsor- und Lizenznehmer) sind einzelne Sportler auch für die Anhänger immer wichtiger geworden als die zugehörige Klubmarke oder das Team. Beste Beispiele liefern hierzu die Vereinswechsel bekannter Fußballgrößen wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi, die jeweils unmittelbar nach Bekanntwerden ihres Vereinswechsels einen großen Run auf die entsprechend beflockten Fantrikots ausgelöst haben.

Peter Rohlmann, Inhaber, PR Marketing

Neue Rechteverteilung

Es ist für mich nicht die Entscheidung entweder/oder, sondern es werden mit den einzelnen Partnerschaften verschiedene kommunikative Ziele bedient. Man muss als Marke aber das Spielersponsoring auf dem Radar haben und hier vor allem den Unterhaltungs-Faktor und Nachahmungseffekte der Idole mit großer Reichweite über den Fußball hinaus versus Stadion- bzw. Fanerlebnis, Clubcommunity und Tickets für Kunden bewerten. Spannend wird es, wie sich die Spieler bezüglich ihrer Rechtekonstellation zukünftig aufstellen und ob sie neue Rechte entwickeln. Wenn sich Spieler z.B. Investoren reinholen, um neben ihrer sportlichen Leistung einen starken Fokus auf die eigene Marke zu legen wird das Rad noch einmal neu gedreht...

Die Vereine müssen ihre Marke stärker positionieren, um gegenüber den Personenmarken nicht abzufallen und neue Vermarktungsansätze zu generieren. Die Angebote werden sich verändern und die Clubs müssen versuchen weitreichende Rechte der Spieler für sich zu sichern, um diese mitzuvermarkten. Ob die Spieler das Mitmachen, nachdem über Influencer die Box der Pandora geöffnet ist und man die Effekte von Influencern ohne sportlichen Erfolg sieht, bleibt fraglich. Für Spieler kleinerer Vereine ist der Aufbau der Marke finanziell noch interessanter – da hier ggf. mehr Einkommen drin steckt als in der reinen sportlichen Karriere. Die Spielerverpflichtungen der Zukunft werden sicher nicht allein durch die Leistung auf dem Platz entschieden.

Anja Scheib, Mitglied Geschäftsleitung, brands and emotions

Konkurrenz-Geschäft

Eine pauschale Aussage ist nicht sinnvoll, da die Auswahl ob Team- oder Athleten-Sponsoring in hohem Maße von der Zielsetzung des Sponsorings abhängig ist. Wie fast überall gibt es allerdings eine Korrelation von Chance und Risiko: Die Chancen aber auch die Risiken sind beim Athleten-Sponsoring tendenziell höher. Der Transfer auf die Marke kann beim Athleten-Sponsoring leichter gelingen, da die werbliche Exklusivität meist höher als beim Team-Sponsoring ist. Das gilt aber natürlich auch für den negativen Imagetransfer. Und genau hier ist das Athleten-Sponsoring mit höherem Risiko behaftet. Da Athleten mittlerweile immer häufiger als eigne Marken über eigene, sehr reichweitenstarke Medienkanäle in den sozialen Medien verfügen, begibt sich das Unternehmen in eine hohe Abhängigkeit, was zu Lasten der strategischen Markenführung gehen kann. Ein unbedachter Post kann zum Shit-Storm führen der unmittelbar auch mit dem Sponsor in Verbindung gebracht wird. Wie weitreichend der Schaden bei eng verwobenem Partnerschaften mit Testimonials sein kann, hat z.B. adidas bei seiner Partnerschaft mit Kayne West erleben müssen. Der Imageschaden für die Marke adidas aufgrund antisemitischer Entgleisungen des Testimonials Kayne West dürfte erheblich gewesen sein. Grundsätzlich gilt, dass man nicht in Einzelsponsorings, sondern in einer Portfoliostrategie denken sollte, um Risiken, wie am Aktienmarkt, breiter zu streuen.

Für die Vereine entstehen durch das Erstarken der „Athleten-Brands“ neue Herausforderungen. Häufig bieten die Vereine die Plattformen, auf denen der Athlet zur Marke heranwächst und dann zur Konkurrenz im eigenen Haus werden kann. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich die Trends hier weiter entwickeln und welche Lösungen die Vereine finden werden. Die Persönlichkeitsrechte der Athleten sind weitreichend und werden nicht ohne weiteres eingeschränkt werden können – und das ist auch gut so. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft.

Jens Leonhäuser, Geschäftsinhaber, Steilpass

Integration in Clubs

Wir betrachten Athlet:innen ganzheitlich als Personenmarken, die durch Leistungen im Sport bekannt wurden – aber längst mehr sind als Bestzeiten, Tore oder Medaillen. Die Welten verschmelzen: Sportler:innen nutzen ihre Reichweite als Vorbilder im gesellschaftlichen Diskurs, investieren in Start-Ups oder unterhalten Fans und Follower auf Social Media. Das macht sie zu emotionalen, authentischen Vorbildern – insbesondere für jüngere Zielgruppen, die digital vermehrt Einzel-Sportler:innen folgen als Vereinen oder Nationalmannschaften.

Clubs stehen dabei vor der Herausforderung, ihre Held:innen sowohl in die Kommunikation als auch im Rahmen kreativer Vermarktungsansätze bestmöglich zu integrieren. Marken bietet sich wiederum durch Partnerschaften mit einem Testimonial die Chance, Inhalte glaubwürdig an ihre Zielgruppe zu transportieren und dabei von der Strahlkraft und einer starken Personal Brand zu profitieren, die für die richtigen Werte eintritt – auf und neben dem Platz. Bei SPORTFIVE lanciert die Abteilung „Global Athlete & Team Marketing“ langfristige Partnerschaften zwischen Athlet:innen und starken Marken, vom Start-Up bis zur globalen Brand.

Ron Wiegand, Senior Vice President Global Athlete & Team Marketing, SPORTFIVE

Verhandlungsmacht

Es gibt eine Hand voll Spieler, die einen ganzen Verein ins Rampenlicht katapultieren können. Das Trikot von Inter Miami ist durch den Messi-Transfer nun global das meistverkaufte adidas-Trikot – noch vor Flagships wie dem FC Bayern, Manchester United oder Real Madrid. Die Verhandlungsmacht der begehrtesten Spieler des Planeten – etwa eines Kylian Mbappé – wird weiter zunehmen und es würde mich nicht wundern, wenn wir bald den ersten Spieler sehen, der seine Trikotbrust individuell vermarkten darf. Aus Unternehmenssicht bieten Spieler als Markenbotschafter genau dann ein großes Potential, wenn man mit ihnen glaubwürdig Geschichten erzählen kann, die zur Marke passen. Vermarktung wie am Fließband, wie man sie bei Cristiano Ronaldo beobachten kann, ist eher etwas für einmalige Effekte und da würde ich für breite Brand Awareness dann doch die Trikotbrust oder ein Namingright als Werbemittel vorziehen.

Marvin Ronsdorf, Head of Social, Apollo18

Der richtige Umgang

Wir haben sowohl auf Athleten-, vor allem aber auch auf Club- bzw. Verbandsebene schon unterschiedlichste Sponsorings erfolgreich auf den Weg gebracht und umsetzen dürfen. Aus diesem divers geprägten Blickwinkel heraus ist es für uns also nicht die Frage von „entweder … oder …“, sondern vielmehr eine Frage der Zielstellung respektive Zielgruppe der Brand. Gepaart mit der Ist-Situation bzw. etwaiger Problemstellungen: Wo steht die Brand? Welche Ziele verfolgt sie in welchem Zeitraum? Welche Prämisse liegt zugrunde – von Abverkaufsförderung über Image bis hin zu Recruiting? Vom vermeintlich höheren Image-Risiko bei Athleten mal ganz abgesehen. Nichtsdestotrotz ist natürlich gerade global gesehen eine Art Personenkult bzw. -Hype als Branchentrend in puncto Sponsoring nicht von der Hand zu weisen. Mitunter können aber auch gerade die Clubs mit dem „richtigen“ Umgang ebendiesen Trends nicht nur Absätze ankurbeln, sondern auch vom Image und Reichweiten profitieren, was wir nicht erst seit internationalen Top-Transfers beobachten können.

Jascha Lux, Geschäftsführer, Z-SPORTS

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