2017 veröffentlichte das IOC ihren sog. Legacy Approach, nach dem die Langzeit-Vorteile von Olympischen Spielen in einer Region geplant und offensiv kommuniziert werden sollen. Auch Destinationen in der Schweiz müssten das tun, sollte die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2038 erfolgreich sein. Doch wie beeinflusst das Thema Tourismus-Destinationen jetzt schon? Und wie können diese überhaupt nachhaltig von (Sport-)Grossveranstaltungen profitieren? Diese Fragen haben wir Partnern aus dem Netzwerk gestellt.

Tief in der Gesellschaft verankert

Bei uns haben eine Vielzahl an Events eine langjährige Tradition und sind in den Regionen, bei der Bevölkerung sowie den Gästen, tief verankert. So gesehen leben wir diesen Ansatz bereits seit einigen Jahren und dies durchaus erfolgreich. Mit unseren Events in den Regionen stärken wir den Lebens- und Erlebnisraum, schaffen Arbeitsplätze und fördern die lokalen Kulturen und Traditionen. Wir arbeiten aktuell an einem Nachhaltigkeitsleitfaden für lokale Events, um unter anderem auch der Frage des Legacy-Ansatzes nachzugehen respektive Ansätze und Massnahmen für nachhaltige Events zu definieren sowie aktiv zu leben und umzusetzen. Wir setzen unsere Kräfte auch strategisch gezielt ins Event- und Produktmanagement ein, um langfristig sicherzustellen, dass wir mit unseren Events und Veranstaltungen einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können.

Tobias Treichler, Direktor, Rapperswil Zürichsee Tourismus / Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee AG

@Rapperswil Zürichsee Tourismus

Langfristige Mandate für echtes Commitment

Durch die generell wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit in der Gesellschaft muss dem für mich als Synonym geltendem Wort «Legacy» zukünftig eine deutlich größere Beachtung gegeben werden. Bei der Planung und Umsetzung von Veranstaltung sollten gezielt entsprechende Ressourcen zur Befassung mitgedacht werden – auch langfristig, sprich: Legacy-Verantwortliche müssen ein Mandat bis weit nach der abgeschlossenen Veranstaltung innehaben. Gerade bei temporären Veranstaltungsorganisationen ist es häufig der Fall, dass diese Organisationen sich nach der erfolgten Bilanzierung auflösen und die Legacy-Projekte von niemanden weitervorangetrieben oder auch geprüft werden. Zu oft werden in Vorprojektphasen wunderschöne Maßnahmen und Nachhaltigkeitsagenden formuliert, die in der Realität nur selten tatsächlich zur Gänze umgesetzt werden. Ich wünsche mir mehr echtes Commitment aller Verantwortlichen. Events können als Wirtschaftsmotor, Infrastruktur- oder emotionaler Treiber sensationelle Effekte bewirken. Diese gilt es jedoch immer im Wohle aller und vor allem des Naturraums zu berücksichtigen.

Julia Zraunig, Event & Sponsoring, Innsbruck Tourismus

@Innsbruck Tourismus

Nachhaltigkeit und Gemeinnützigkeit

Destinationen haben gelernt, dass der Legacy Approach darauf abzielt, die Langzeitvorteile von Grossevents systematisch zu planen und zu kommunizieren. Er umfasst Grundsätze sowie Nachhaltigkeits- und Innovationsziele in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft, erweitert um das Management als vierte Dimension. Ich habe bereits 2017 anlässlich der FIS Alpine Ski WM St.Moritz an einem sogenannten NIV-Konzept mitgearbeitet und verstanden, dass man gut beraten ist, getreu einer sogenannten NIV-Charta zu handeln. (NIV=Nachhaltigkeit, Innovation, Vermächtnis).

Weitere Infos

Für St.Gallen-Bodensee Tourismus hat dieser Ansatz die Planung und Umsetzung von Events signifikant beeinflusst. Veranstaltungen wie der CSIO St.Gallen oder der Tour de Suisse Hub werden mit einem langfristigen Blickwinkel betrachtet, wobei Nachhaltigkeit und die Schaffung eines dauerhaften Erbes im Vordergrund stehen. Dies bedeutet, dass bei der Organisation solcher Events nicht nur der kurzfristige Erfolg, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft berücksichtigt werden.

Bereits wahrgenommene Legacy-Effekte beinhalten verbesserte Kommunikationswege, eine gesteigerte interne Anerkennung bei verschiedenen Stakeholdern und die Förderung des lokalen Sports. Diese Events haben zudem zur Stärkung der lokalen Wirtschaft beigetragen, indem sie zusätzliche Gäste angezogen und lokale Unternehmen unterstützt haben.

@St. Gallen-Bodensee Tourismus

Für zukünftige Veranstaltungen erhofft sich St.Gallen-Bodensee Tourismus positive Effekte bei den Infrastrukturen, die über den Event hinausgehen. Dazu gehören eine nachhaltige Tourismusentwicklung, die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und die weitere Positionierung der Region als attraktives Ziel für internationale Besucher. Durch die Integration des Legacy Approaches in die Eventplanung strebt St.Gallen-Bodensee an, nicht nur erfolgreiche, sondern auch nachhaltige und gemeinnützige Veranstaltungen zu schaffen, die langfristig zum Wohl der Region und ihrer Bewohner beitragen.

Thomas Kirchhofer, Direktor, St.Gallen-Bodensee Tourismus

Sporteventstrategie mir allen Aspekten

Sportveranstaltungen spielen eine wichtige Rolle für die Sport- und Infrastrukturentwicklung, unterstützen die direkte Wertschöpfung und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Begehrlichkeit einer Destination sowie zur Stärkung der regionalen Identität. Große Sportereignisse im Outdoorbereich tragen aufgrund der damit verbundenen Medialisierung das Image der Destination in die Welt hinaus und sind ein entscheidender Faktor zur Steigerung der Bekanntheit und Attraktivität einer Destination für strategisch definierte Zielgruppen. Internationale Events tragen auch zu zahlreichen kurzfristigen Effekten wie direkter Wertschöpfung, Steigerung der Nächtigungszahlen in der Nebensaison oder Vermittlung von aktuellen Wetter- und Angebotsbildern bei.

Die regelmäßige Ausrichtung von Breiten- und Spitzensportveranstaltungen in verschiedenen Sportarten mit attraktiven Rahmenprogrammen bringt jedoch sowohl klare Vorteile für die einheimische Bevölkerung und die Besucher als auch negative Begleiterscheinungen wie Lärm oder vorübergehend erhöhtes Verkehrsaufkommen mit sich. Eine Sporteventstartegie für eine Destination sollte alle diese Aspekte berücksichtigen.

Katarzyna Kasia Gaczorek, Leitung Events & PR, Tirol Werbung

@Tirol Werbung

Öffentliche Diskussion

Die Frage nach der «Legacy» von Grossveranstaltungen ist für die Destinationen nicht neu. Als Austragungsort von zwei Olympischen Spielen, fünf alpinen Ski Weltmeisterschaften und einer Vielzahl weitere Weltmeisterschaften, wiederkehrenden Weltcups und Veranstaltungen nationaler und internationaler Bedeutung setzt sich die Destination Engadin und St. Moritz seit Jahrzehnten und auch heute wiederholt mit dieser Frage der langfristigen Wirkung auseinander.

Was sich jedoch verändert hat, ist der Fokus und die Erwartung der Stakeholder sowie die öffentliche Diskussion zum Thema «Legacy». Dabei sind die Nutzung von bestehender und auch aktiv genutzter Infrastruktur, die Auswahl von klimatisch geeigneter Austragungsorte und nicht zuletzt damit verbunden auch die Minimierung des ökologischen Fussabdruckes absolut zurecht zu einem absoluten Muss-Kriterium geworden. 

Am Beispiel des Engadins zeigt sich in einer weltweit einzigartigen Historie von Grossveranstaltungen, dass sich eine Destination in einem intelligenten Zusammenspiel einer Infrastrukturstrategie, tourismus-strategischer Geschäftsfeldern und gezielt gewählter Grossveranstaltungen als kommunikative und integrative Leuchttürme erfolgreich positionieren und auch innovieren kann. Dies zeigt sich beispielsweise auch hinsichtlich der bevorstehenden FIS Freestyle Weltmeisterschaften 2025 sowie des Interesses an einer erstmaligen Austragung von FIS Games im Jahre 2028.

Thomas Rechberger , Business Development & Mitglied der GL, Engadin Tourismus

@Engadin Tourismus

Einbindung der Bevölkerung

Durch die Legacy hat sich bei uns die Planung und Umsetzung von Events verändert. Die Betrachtung der Events erfolgt viel umfassender als früher. Die UN-Nachhaltigkeitsziele werden immer stärker beachtet, von den fünf wesentlichen Legacy-Abwägungen wird immer mehr auch die Wertschöpfung beachtet. Die Umwelt ist schon länger ein Thema bei uns, aber die Einbindung der Bevölkerung ist noch wichtiger geworden. Wie gut das gelingt, zeigt die European Bike Week gemeinsam mit der Kultmarke Harley Davidson, wo uns zur Vertragsverlängerung breit gratuliert und gedankt wurde. Nicht nur hier hat Corona uns gelehrt, dass viele Veranstaltungen wirtschaftlich und sozial sehr bedeutend sind. Absagen haben zu einem erheblichen Wertschöpfungs-Verlust geführt. Und gerade die Einheimischen haben die Events zum Teil sehr vermisst. Daher erhoffen wir uns von zukünftigen Events neben der Wertschöpfung auch das Erreichen unserer Kommunikationsziele nicht zu vernachlässigen. Gerade im Sporttourismus gelten hochkarätige Veranstaltungen als Kompetenzbeweis. Unsere Mountainbike-Destinationsmarke lake.bike setzt hierbei auf Events, die neben dem Spitzensport auch den Breitensport berücksichtigen. Neu werden wir bspw. die SeeDuroBikeWeeks am Faaker und Ossiacher See durchführen.

Georg Overs, Geschäftsführer, Region Villach Tourismus

@Hannes Pacheiner, Region Villach Tourismus

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