Dennis Trautwein | Interview | Octagon

Die Antwort auf die Frage, ob E-Sports etwas mit Sport zu tun hat, ist freilich auch abhängig von der Perspektive. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) jedenfalls hat sich bei seiner Mitgliederversammlung in Düsseldorf im Dezember letzten Jahres zum Thema E-Sports erneut eindeutig positioniert. Die Mitglieder bestätigten die Position des Vorstands um den Vorsitzenden Alfons Hörmann und des Präsidiums mit großer Mehrheit. Der DOSB betonte erneut seine hauseigene Unterteilung des E-Sports in elektronische Sportartensimulationen (virtuelle Sportarten) und das "E-Gaming".

Der DOSB will darüber hinaus dafür sorgen, „dass keine E-Gaming-Aktivitäten in Vereinen angeboten werden, die dem anerkannten Wertekanon des DOSB-Sportsystems nicht entsprechen". ‚E-Gaming’ nach der Definition des DOSB umfasst den Großteil der im E-Sport relevanten Titel. Auf dem SPOBIS, der größten Sportbusiness-Messe weltweit, wurden die Debatten Ende Januar – ebenfalls in Düsseldorf – ungeachtet dessen freilich weiter lebhaft diskutiert. Das zweitägige Programm war voll von Diskussionsrunden, Auftritten und Präsentationen rund um das Thema E-Sports.

Einer, der einen sachlichen Blick auf die Dinge hat, ist Dennis Trautwein von der Agentur Octagon. Diese hatte im letzten Jahr eine umfangreiche Studie zum Thema E-Sports, den Zielgruppen, Usern und Fans veröffentlicht. Zugegeben: Keine rein selbstlose Erhebung, denn natürlich ist der E-Sports-Markt ein rasant wachsender, künftiger Milliardenmarkt. Und Octagon ein Global Player in eben diesem Markt. Aber als typischer Gamer der Ex-Basketballer keineswegs durch. Der Marktforschungsexperte ordnet die Dinge mit der nötigen Distanz und Sachlichkeit ein. Deshalb wollten wir im Interview eine Einschätzung von ihm haben.

Herr Trautwein, mit der Tür ins Haus fallend: Gehört E-Sports die Zukunft?

„Für die aktuelle und die nächste Generation von jungen Menschen ist es natürlich, mit E-Sports groß zu werden. Man kann als älterer Mensch versuchen, E-Sports kleinzureden oder zu ignorieren. Aber mit dieser Haltung wird man nicht weit kommen. Wohin die Entwicklung führt, ist noch gar nicht abzusehen. Gleichzeitig muss sich die E-Sports-Szene natürlich fragen, wie sie das Baller- und Zocker-Image, das sie bei der älteren Bevölkerungsgruppe noch immer hat, abbauen kann. Wie lassen sich Spielräume öffnen, die E-Sports die Definition als Sport erleichtern?“

Direkt gefragt: Ist E-Sports nun eine Form von Sport oder nicht?

„Die Diskussion um die Kategorisierung als Sport ist in meinen Augen abseits des Themas ‚Gemeinnützigkeit’ doch sehr theoretisch – und im Kern eventuell sogar einzig und allein auf die Vorteile einer Gemeinnützigkeit abzielend. Auch wenn es mir in ein paar Punkten etwas schwer fällt, der Argumentation des DOSB zu folgen,insbesondere wenn es um den rein kommerziellen Kern des E-Sports und seine im Vergleich zu anderen Sportarten reduzierten motorischen Anforderungen geht, so kann ich der Argumentation contra Sport-Einordnung in einigen zentralen Punkten – beispielsweise, dass der Sport dem Gemeinwohl dient, E-Sports nicht, oder dass Sport einen gesunden und bewegten Lebensstil fördern sollte – durchaus nachvollziehen.“

Lässt sich E-Sports mit anderen, eher bewegungsarmen Sportarten vergleichen? Schach beispielsweise wird ja häufig als Vergleich bemüht ...

„Unter den organisierten Sportarten erinnert E-Sports mich in seinen Strukturen eher an den Alpenverein, etwas überspitzt: Ein recht breites Feld an ‚Athleten’ und nur eine Handvoll, die es wirklich leistungsmäßig betreiben. Den Breitensportlern – und das sind die meisten E-Sportler ja auch–, möchte man schließlich ebenso wenig verbieten, sich in einem Verein zu organisieren, um organisiert Sport zu treiben.“

Aber ein kaum wegzudiskutierendes Argument der Anti-E-Sports-Fraktion ist ja die körperliche Inaktivität, die es als Sportart disqualifiziert ...

„Wer sich Sorgen um die Inaktivität der E-Sportler macht und dies als Argument für die Kategorisierung „kein Sport“ ins Feld führt, den muss ich dann mit Blick auf die vorherige Frage tatsächlich fragen dürfen, wie seine Position zum Schachsport oder zum Darts ist …“

... worüber sich tatsächlich vortrefflich kontrovers diskutieren lässt. ...

„Richtig. Und dabei möchte ich auf gar keinen Fall anmaßend sein. Das steht mir nicht zu. Ich zeige nur verschiedene Perspektiven auf das Thema auf. Es gibt wohl nicht nur eine Wahrheit auf diesem Gebiet.“

Dennoch – oder eben gerade deswegen noch mal nachgehakt: Nicht jeder, der warnend den Zeigefinger hebt, ist ein altmodischer oder rückwrückwärts gewandter Traditionalist. Haben Sie Verständnis für die Bedenken all jener, die den Nachwuchs an den Sport heranführen und dort ausbilden, fördern und halten wollen, und im E-Sports ein Hindernis sehen, bzw. fürchten, Kids und Jugendliche an die Konsole zu verlieren?

„Ich will ganz ehrlich sein – ich würde mich auch freuen wenn meine Kinder sich später in Sporthallen herumtreiben und nicht zu viel Zeit an der Konsole und mit Medien verbringen.“

Und wie sieht das der Agenturmann?

„Für uns als Agentur ist fraglos der Wirtschaftsfaktor E-Sport in der Betrachtung wesentlicher – und ich denke, dass wir hier ganz klare Entwicklungen sehen: Es gibt kaum noch Gespräche mit Marktteilnehmern, die nicht um das Thema zirkulieren und die Frage wie man aktiv werden kann. Die Frage, ob man aktiv werden soll, die wird längst viel seltener gestellt.“

In Ihrer letztjährigen Studie –„Passion Drivers“ wird untersucht, wer die leidenschaftlichen Gamer eigentlich sind. Was ist dabei herausgekommen?

„Dass sie zur Hälfte zwischen 21 und 35 Jahre alt sind – deutlich jünger als der Durchschnitt in den traditionellen Sportarten. Interessant sind die Faktoren, welche die Spieler in ihrer Leidenschaft für E-Sports prägen. Fast 70 Prozent wollen vor allem ihr eigenes Spiel verbessern. Knapp 65 Prozent wollen sich auf vielfältige Weise über das Spiel austauschen. 63 Prozent nennen die Nahbarkeit der Stars der Szene und die Begeisterung für sie als ausschlaggebenden Punkt ihrer Spiel-Leidenschaft. Es waren übrigens Mehrfachnennungen waren möglich. Aber auch Stressabbau, das Entdecken einer neuen Welt, die Aussicht, Preisgelder zu gewinnen oder die Freude am ‚Trashtalk’ nach Spielen treibt die Gamer laut der Umfrage an.“

E-Sports erfreut sich längst einer gigantischen Fanbasis. Lassen sich verschiedene Fan-Typologien erstellen? Auch das wurde in der Studie untersucht.

„Ja. Nicht jedes der Ergebnisse einer solchen Befragung ist komplett überraschend. Aber wir konnten verschiedene Gruppen identifizieren, die unterschiedlich an E-Sports herangehen und zum Teil völlig unterschiedliche Motive haben. Es gibt Social Strategists, Victory Seekers, Experienced Experts und Casual Commenters. Heißt: Es gibt unterschiedliche Motive und unterschiedliche Formen, die Leidenschaft auszuleben.“

Die Szene ist extrem maskulin – das unterscheidet sie definitiv vom ‚richtigen’ Sport ...

„Stimmt. Um noch interessanter zu werden, muss E-Sports Wege finden, mehr Frauen anzusprechen. Aktuell interessieren sich deutlich weniger Frauen für E-Sports, bezogen auf „FIFA“ als für den klassischen Fußball.“

Hand aufs Herz: Mit dem Sohnemann zum Kicken oder mit der Frau am Rhein entlang joggen bzw. radeln – oder ab vor die Spielkonsole?

„Die Antwort ist klar: Auf jeden Fall aktiv und an die frische Luft.“

Mit Dennis Trautwein sprach Frank Schneller.

Quelle: Octagon

Kontakt:
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