Interview | Prof. Dr. Jürgen Buschmann | CSR-Maßnahmen | Profifußball

Prof. Dr. Jürgen Buschmann, langjähriger Scout und Analyst der DFB-Nationalmannschaft, über die Hintergründe von CSR-Maßnahmen im Profifußball.

Die ökonomische Bedeutung des nationalen und internationalen Fußballs wächst seit Jahrzehnten. Meist weniger beachtet, steigt auch das soziale Engagement von Ligen, Vereinen und Profifußballern. Ist das nur ein Feigenblatt, um horrende Transfersummen, Millionen-Einkünfte dank lukrativen TV-Verträgen und steigende Sponsoring-Summen zu relativieren? Oder steckt weit mehr hinter diesen Investitionen?

Zahlreiche Clubs jedenfalls, aber auch Spieler engagieren sich bereits für soziale Projekte. Unter dem Fachbegriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR), bzw. zu Deutsch „soziale Unternehmensverantwortung“, erfüllen viele Sportvereine bereits ihre „gesellschaftliche Pflicht“ in aktiver und gut evaluierter Stiftungsarbeit.

Vorbildcharakter haben hier die zahlreichen Stiftungen von Spielern wie beispielsweise jene von Philipp Lahm, Manuel Neuer oder Per Mertesacker. Cristiano Ronaldo zeigt sich ebenfalls immer wieder sehr generös und spendete zum Beispiel seine Siegesprämien für den Gewinn der UEFA Champions League sowie seine Europameisterschafts-Prämie.

Allein diese betrugen zusammengerechnet fast 900.000 Euro, wodurch er laut der Nichtregierungsorganisation „Do Something“ zum wohltätigsten Sportler der Welt ernannt wurde. Etwas weniger glamourös, dafür mit viel Herz engagiert sich der österreichische Supersportler David Alaba in einem Wiener Flüchtlingsheim. Dabei verteilt er Autogramme und Sportschuhe an die rund 120 Bewohner, wie der Samariterbund berichtete.

Programme zur Integration von Flüchtlingen und der Unterstützung von jungen Menschen werden auch von der Deutschen Fußball Liga-Stiftung, hinter welcher der Verband sowie alle 36 Profiklubs aus der 1. und 2. Bundesliga stehen, gefördert.

Ebenso kommen die Vereine in Österreich ihrer sozialen Verantwortung nach. So unterstützt RB Salzburg nach eigenen Angaben die Red Bull eigene Stiftung „Wings for Life“ mit 1 Euro pro Eintrittskarte bei ausgewählten Spielen. Rapid Wien veranstaltet einmal jährlich den Rapidlauf, dessen Erlös zuletzt an die „Heartbeat Foundation“ ging und der SK Sturm Graz kooperiert mit den Special Olympics für die World Winter Games 2017. Die „Liverpool FC Foundation“ organisierte im Mai 2017 ein Wohltätigkeitsspiel zwischen Legenden des Liverpool FC und von Real Madrid, mit welchem sie umgerechnet über 1.1 Mio. Euro einnahm.

Die wohltätigen Ausgaben sind hoch. Verglichen mit den Summen, welche die Vereine jährlich einnehmen, stehen diese Beträge jedoch in keiner Relation. Der FC Chelsea, amtierender Meister in der englischen Premier League, kassierte für die Saison 2016/17 TV-Gelder in Höhe von umgerechnet 173 Mio. Euro. Chelseas Gesamtumsatz liegt bei über 450 Millionen Euro – dies entspricht ungefähr dem, was die Microsoft Österreich GmbH jährlich umsetzt. Dadurch stellt sich die Frage, wie diese gesellschaftlichen Engagements von Vereinen und Vereinsstiftungen einzuordnen sind. Ist es vielleicht doch nur das berühmte Feigenblatt? Oder ist es ehrlich gemeintes, soziales Engagement?

Der langjährige Analyst und Scout der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Prof. Dr. Jürgen Buschmann äußert sich im nachfolgenden Interview zur aktuellen Situation.

Herr Prof. Dr. Buschmann, für viele ist CSR kein gängiger Begriff. Es geht um weit mehr als nur den sozialen Aspekt. Klären Sie uns auf, was Corporate Social Responsibility bedeutet.

JB: Eine gesellschaftlich relevante Verantwortung für sein Umfeld zu übernehmen, ist für viele schon lang keine Goodwill-Aktion oder ein notwendiges Übel mehr. Im Rahmen von Corporate Social Responsibility (CSR) wird heute vielmehr ein strategischer Umgang zur Stärkung eigener Ressourcen und zur Durchsetzung strategischer Ziele gesehen, wie Imagegewinn oder Stakeholder-Relationship-Management, z.B. in Unternehmen und/oder Vereinen.

Mit facettenreichen Umsetzungskonzepten in verschiedenen Handlungsfeldern zahlen sich also CSR-Maßnahmen nicht nur im Innenverhältnis (Arbeitsklima, Gesundheitsförderung der Mitarbeiter, etc.) aus, sondern auch im Außenverhältnis als etablierter Partner im verantwortungsvollen Umgang sozialer, gesellschaftlicher oder sonstiger Probleme.

Rekordumsätze im Fußball, egal ob in Österreich, Deutschland oder England – wie viel dieser Beträge fließt wirklich in einen guten Zweck

JB: Zunächst sollte eine Differenzierung zwischen den „deutschsprachigen“ Ländern – Deutschland, Schweiz, Österreich – und England vorgenommen werden. Während wir bei den erstgenannten Ligen für CSR-Maßnahmen nur eine geringe bis gar keine Bedeutung feststellen können, hat dies im Mutterland des Fußballsports schon eine längere Tradition. So erhalten die Vereine von der Premier League – analog zur DFL in Deutschland – einen festen Betrag aus den Fernseheinnahmen für soziale Projekte. Dies gekoppelt mit entsprechenden Eigenmitteln dient der sog. „Lizensierung“ der Vereine.

Inwiefern ist CSR im Profifußball nur ein Feigenblatt, um die zum Teil unvorstellbaren Summen zu relativieren?

JB: Es kommt auf die Einstellung des gesamten Vereins an. Wenn z.B. nur eine feste Summe pro Jahr an eine NGO überwiesen wird, um das „soziale Gewissen“ zu beruhigen, dann kann man von dem sog. „Feigenblatt“ sprechen. Stehen aber große Teile des Vereins – u.a. Vorstand, Mannschaft, Trainer-Team – dahinter, dann ergibt sich auch eine Identifizierung der Fans mit solchen Maßnahmen. So haben wir u.a. bei Umfragen feststellen können, dass es rund 80% der Zuschauer für wichtig halten, soziale Projekte durchzuführen. Sie sind sogar bereit, einen Euro mehr zu bezahlen, wenn diese Aktivitäten transparent und nachhaltig sind.

Welche CSR-Aktivitäten von Vereinen und Ligen halten Sie für vorbildlich und warum?

JB: Hier möchte ich beispielhaft drei Vereine aus drei verschiedenen Ländern herausstellen:
FC Liverpool: In England haben Fußballsport und soziale Verantwortung eine große Bedeutung. So hat alleine die entsprechende Abteilung des FC mehr als 20 hauptamtliche Mitarbeiter/-innen. Alle Aktivitäten geschehen in und um Liverpool herum.
Real Madrid: In Spanien haben nicht alle Vereine solch eine große Stiftung wie Real – auch hier sind rund 20 Mitarbeiter/-innen aktiv. Die Projekte – ca. 150 – finden in 80 Ländern weltweit statt.
SV Werder Bremen: Für die Bundesliga kann Werder als „Vorzeigeverein“ benannt werden. Die vielfältigen Aktivitäten, mit einer großen Nachhaltigkeitswirkung, beziehen sich auch auf das Umfeld des Vereins.

Wie sieht es bei den Fußball-Profis aus – ist es sinnvoll, dass viele ihre eigene Stiftung aufbauen, statt bestehende Organisationen zu unterstützen?

JB: Während ihrer aktiven Karriere als Fußballspieler erscheint es mir nicht so sinnvoll, eine eigene Stiftung zu haben. Nur wenn ein wirklich aktives und überzeugendes Management dahinter steht, scheint es zu funktionieren. Für die Spieler ist in der Regel zu wenig Zeit vorhanden und leider werden diese „sozialen Einrichtungen“ auch hin und wieder als „Steuerschlupflöcher“ benutzt.

Nach Beendigung der aktiven Laufbahn kann eine eigene Stiftung ein sinnvoller und geeigneter Weg sein, um der Gesellschaft etwas zurück zu geben.

Sie selber sind Special Advisor der Stiftung „FOOTBALL IS MORE“. Was macht „FOOTBALL IS MORE“?

JB: Die Stiftung, die 2011 gegründet wurde, zielt darauf ab, weltweit benachteiligte Kinder und Jugendliche durch die Strahlkraft des Fußballsports zu unterstützen und zu fördern. Mit der Planung und Organisation von nationalen und internationalen Förderprojekten will FIM einen wichtigen Beitrag leisten im Dienste der Entwicklung, der Bildung, der Erziehung, der Integration/ Inklusion und des Friedens.

Ein weiteres Ziel ist es, unser Netzwerk – bestehend aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Sportverbänden, Sportvereinen und Hilfsorganisationen – gezielt auszubauen und näher zueinander zu führen, um so die positiven Eigenschaften, die der Fußballsport vereint, bestmöglich zu nutzen.

Im Oktober findet das 6. Internationale CSR Forum in Brunnen (Schweiz) statt. Dort kommen Vertreter von hochkarätigen Vereinen wie Real Madrid, AC Milan oder dem FC Liverpool. Wie können Vereine aus Österreich von dieser Zusammenkunft profitieren?

JB: Das Forum zeigt Gestaltungsmöglichkeiten auf, bietet Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Vereinen, Verbänden und Sponsoren gleichermaßen eine Plattform, um sich auszutauschen, gemeinsam Projekte anzustoßen und Impulse für die Zukunft zu erarbeiten.

Dieser „Netzwerkgedanke“ kann für alle Vereine – gleich, ob sie schon erste Aktivitäten durchführen oder erst darüber nachdenken sozial tätig zu werden – nur von Nutzen sein, um den Verein für die Öffentlichkeit – für die Gesellschaft – in ein noch positiveres „Licht“ zu stellen.

Vielen Dank für das Interview.

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Kontakt:
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