Startseite > Themen > Die Wunderman Thompson Future 100 – Trends, die die Welt bewegen

09.03.2023 // Wunderman Thompson

Die Wunderman Thompson Future 100 – Trends, die die Welt bewegen

Nach der Krise ist vor der Krise. Die Pandemie schien gerade überwunden, da begann in der Ukraine ein fürchterlicher Krieg, der uns die letzten 12 Monate tagtäglich beschäftigt hat. Das Jahr 2023 begann mit einem schrecklichen Erdbeben. Und über allem schwebt die Klima-Krise. Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Katastrophen gegeben – aber eine derartige Häufung ist schon aussergewöhnlich.

Natürlich kann niemand vorhersagen, wie das Jahr weitergeht. Wir wissen aber, welche übergeordneten Trends die Menschen in der Schweiz und anderswo beschäftigen und können daher mit einiger Sicherheit prognostizieren, wonach Konsument:innen in diesem Jahr suchen werden.

Wunderman Thompson erstellt jedes Jahr eine Übersicht der 100 wichtigsten Trends weltweit, die «Future 100». Viele dieser Trends sind eine direkte Reaktion auf die Krisen der letzten Jahre. Denn Krisen erzeugen Stress und der hat einen massiven Einfluss auf unsere Psyche und damit mittelbar auch auf unser Konsumverhalten.

Achtsamkeit und Resilienz als Reaktion auf die Krise

Viele der Trends, die wir beobachten haben daher mit Achtsamkeit und Resilienz zu tun: Die Menschen suchen nach Dingen, die ihnen guttun. Die Menschen entwickeln dabei verschiedene Strategien, um ihre Resilienz zu stärken, also die Fähigkeit, mit Krisen und Stress fertig zu werden. «Adaptive Resilienz» nennen wir dieses Verhalten und es zeigt sich in unterschiedlichen Ausprägungen.

Ein Beispiel hierfür ist der Trend «Superself», also der Wunsch nach fast übertriebenen Formen der Selbstverwöhnung und der Selbst-Therapie. Die Pandemie hat gezeigt, dass Resilienz vor allem ein Ergebnis von «mental health» ist. Ist die Seele gesund, wird der Mensch nicht krank. Aus dem Bedürfnis nach Super-Achtsamkeit heraus entwickeln Marken neue Produkte und Therapien, die Körper und Geist in Einklang bringen.

Unter der Überschrift «Retail Therapy» bietet beispielweise die Kaufhauskette Selfridges Konsument:innen die Möglichkeit, sich vor Ort von Mental-Coaches, Atmungs-Experten und Sex-Therapeuten beraten zu lassen. Oder «The Nap Ministry»: dieser lockere Zusammenschluss von Wellness-Influencern propagiert die heilende Wirkung von Schlafpausen und veranstaltet «Daydreaming Events». Auch Kultur kann heilen: am Uni-Krankenhaus Brugman in Belgien verschreiben Ärzte Patienten mit Depressionen und Angststörungen Tickets für Museen und andere kulturelle Einrichtungen. Etwas Ähnliches gibt es bereits seit 3 Jahren in Boston: das CultureRX Programm («RX» bezeichnet in den USA verschreibungspflichtige Medikamente).

Eine andere Ausprägung ist der Wunsch nach «Ageless Play», also nach einer kindlichen Ungezwungenheit auch und gerade für Erwachsene. «Adults Welcome»: so heissen die Erwachsenen-Sets von Lego, die inzwischen fast 15% des Gesamtumsatzes der Company ausmachen. Mehr als 60% aller Schweizerinnen und Schweizer betreiben Casual Gaming und e-Sports. Und McDonald’s verkauft seit Oktober 2022 höchst erfolgreich ein Happy Meal nur für Grown-Ups.

Marken haben erkannt, dass Millennials und sogar die GenX sich ihren Spieltrieb bewahrt haben und befriedigen fleissig den kindlichen Wunsch nach zwanglosem Spass. Dieser Trend steht aber mitnichten für eine Peter-Pan-isierung der Gesellschaft, sondern hat viel mit dem modernen Verständnis von Achtsamkeit und mentaler Gesundheit zu tun. Das neugierige Spielen und eine kindliche Ungezwungenheit werden zum ent-stressenden Gegenmittel gegen die Sorgen des Alltags und die Krisen unserer modernen Welt.

Insbesondere als Antwort auf Corona-bedingten Stress bieten auch Fitness-Studios immer mehr Kurse, sogenannte «Joy Workouts», in denen es nicht mehr um «höher, schneller, weiter» geht, sondern um Loslassen, Lachen und Toben.

Da es in Zukunft eher mehr als weniger Krisen geben wird, nimmt der Druck auf unsere kollektive Seele weiterhin zu. Marken, die Ihren Konsument:innen dabei helfen, Körper und Geist in Einklang zu bringen, werden im Kampf um Share of Mind die Nase vorn haben. Und Marken, die ihren Konsument:innen einen zwanglosen, spielerischen Zugang zu dieser Form von Ausgleich bieten, können ebenfalls mit hohem Zuspruch rechnen.

Mehr Optimismus wagen

Einerseits erhöhen die unterschiedlichen Krisen den Druck auf unsere Seele. Andererseits beobachten wir aber auch einen – fast trotzigen – Optimismus im Angesicht dieser Katastrophen. Sozusagen ein «Jetzt erst recht». Wir sehen ganz unterschiedliche Manifestationen von Lebensfreude gepaart mit Aktivismus, im Kleinen wie im Grossen.

Zum Beispiel im Trend «Earth as Stakeholder»: denn wir sehen, dass immer mehr grosse Unternehmen Umwelt- und Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Purpose tatsächlich ernst nehmen. Der Planet bekommt einen Platz am Vorstands-Tisch.

Im September 2022 überschrieb der Patagonia-Gründer Yvon Chouinard grosse Teile seiner Firma einer gemeinnützigen Stiftung für Umwelt- und Klimaschutz. «Die Erde ist ab sofort unser einziger Shareholder», erklärte er der Öffentlichkeit. «Ab sofort investieren wir alle Gewinne der Firma in die Mission, unseren Planeten zu retten.»

Zwar gibt es wenige andere profit-orientierte Unternehmen, die einen so radikalen Schritt in Richtung Purpose mitgehen würden. Aber dennoch wächst allenthalben das Bewusstsein, dass der Raubbau an unserem Planeten so nicht weitergehen kann.

Unternehmen wie die Beauty-Brand «Faith in Nature» ernennen Purpose-Beauftragte, die das Unternehmen auf Umweltverträglichkeit trimmen. Marken wie Selfridges oder Adidas verschreiben sich der Kreislaufwirtschaft oder produzieren hochwertige Schuhe aus recyceltem Meeresplastik. Lush Cosmetics verzichtet weitgehend auf Verpackungen und Chemie. Kurz gesagt: Ökologie wird zum Verkaufsargument.

Schon seit längerem spielt der Begriff Purpose auch hierzulande in der Marken- und Unternehmensführung eine tragende Rolle. Gerade in der Schweiz erwarten immer mehr Menschen, dass Marken sich sozial engagieren. Nun rücken Umwelt- und vor allem Klimaschutz in den Vordergrund und Marken müssen sich sowohl passiv als auch aktiv beteiligen.

Und sie stossen dabei allenthalben auf Konsument:innen, die gewillt sind, gemeinsam anzupacken, um den Planeten zu retten. Laut einer Umfrage von Wunderman Thompson im Jahr 2021 haben 66% aller Befragten Angst vorm Klimawandel. In der GenZ liegt diese Zahl sogar bei 72%. Aber anstatt den Kopf in den Sand zu stecken wie vorherige Generationen, wird die GenZ aktiv.

Einerseits durch immer drastischere Formen des Protestes wie die Klebeaktionen der "Letzten Generation". Vor allem aber durch Aktivitäten, die zwar weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen, dafür aber deutlich konstruktiver und im Zweifel auch nachhaltiger fürs Klima sind.

In den USA gibt es beispielsweise die gemeinnützige Firma «Glass Half Full», die recyceltes Glas wieder in Sand verwandelt, um damit die Küste von Louisiana zu schützen. Der TikTok-Influencer Caulin Donaldson postet Videos, die ihn beim Müll-Sammeln am Strand zeigen – und hat fast 2 Mio. Follower. Und die Seite «Climate Optimist» publiziert regelmässig «good news», weil gute Nachrichten motivierender sind als schlechte.

Der Klimawandel ist DAS Generationen-Thema schlechthin. Die GenZ hat das Gefühl, die Suppe auslöffeln zu müssen, die ihr vorherige Generationen eingebrockt haben («how dare you»). Marken, die sich hier engagieren, werden starke Solidarität von jungen Verbraucher:innen erfahren und sich klar von anderen Marken abgrenzen können.

Neue Technologien ermöglichen Inklusion und Kreativität

Und natürlich spielt auch Technologie eine zentrale Rolle, nicht nur bei der Lösung unserer ökologischen Probleme, sondern auch bei Inklusion. «Tech-cessibility» nennen wir den Trend, Teilhabe mit Hilfe von Technologie zu ermöglichen und er wird immer präsenter.

Wie kann ein blinder oder stark sehbehinderter Mensch eine Webseite oder App navigieren? Gibt es eine Möglichkeit einen gehörlosen Menschen an einem Gespräch teilhaben zu lassen, wenn niemand Gebärdensprache spricht. Diese und ähnliche Fragen stehen im Zentrum der Bemühung, Inklusion mit Hilfe von Technologie voranzutreiben.

Inklusives Design und Zugang mit Hilfe von Technik ist nicht nur ethisch und sozial geboten – es ist auch Big Business. Mehr als 1 Milliarde Menschen weltweit müssen mit der einen oder anderen Form von Behinderung leben und moderne Technologie kann ihnen dabei helfen.

Twitter hat beispielsweise im September 2022 einen neuartigen Screen Reader für sehbehinderte Menschen vorgestellt, der auch Bilder in Sprache umwandeln kann. Die Software-Firma XRAI Glass hat gerade eine AR-Brille gelauncht, die in Echtzeit Untertitel für Gehörlose einblenden kann. Und Wunderman Thompson hat gemeinsam mit Unilever das erste inklusive Deo für seh- und körperbehinderte Menschen entwickelt.

Auch hierzulande müssen Marken Wege finden, mehr Menschen mit Behinderung Zugang zu Produkten und Services zu bieten. Da die User Experience einer Marke einen enormen Anteil an der Gesamt-Equity hat, ist dies auch im Sinne der Wertschöpfung dringend geboten.

Das Thema Inklusion wird freudvoller und vor allem selbstverständlicher. Unsere Gesellschaft wird offenbar durchlässiger und offener für Diversität, wie man auch in unzähligen Serien und Filmen beobachten kann.

Aber Technologie ermöglicht nicht nur Inklusion, sondern auch Teamwork. Das Thema Kreativität rückt gerade bei jüngeren Netizens immer stärker in den Mittelpunkt. Die nächste Generation digitaler Communities, die sogenannten «Creator Communities» will Inhalte nicht mehr nur konsumieren, sondern selbst gestalten.

Die digitale Boheme hat erkannt, dass es nicht nur Spass macht, eigene Inhalte zu kreieren und mit anderen zu teilen, sondern dass sich damit auch gutes Geld verdienen lässt. Waren es auf Plattformen wie TikTok oder Snap anfangs vor allem mehr oder weniger begabte Amateure, die zu lustigen Songs getanzt und sich dabei gefilmt haben, werden die Creators von heute immer professioneller.

Ein wichtiger Treiber für diese Entwicklung ist die wachsende Zahl von Influencer:innen, die permanent Inhalte für ihre Follower produzieren müssen , um ihre Reichweiten hoch zu halten. Aber es ist speziell der Algorithmus von TikTok, der für immer attraktivere Inhalte sorgt, denn er basiert nicht mehr auf Reichweite, sondern auf "stickiness". Je mehr Viewer ein Video gut finden, desto mehr Nutzer:innen wird es ausgespielt.

Digitale Communities wie Pools oder Mona, aber auch AI-basierte Plattformen wie Midjourney oder Dall-E bieten diesen immer professionelleren Kreator:innen inzwischen eine ganze Armada von Tools und Programmen und die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen.

Auch hierzulande benötigen Brands immer mehr attraktive Inhalte: Kreativität wird für Marken zum Status Symbol. Creator Communities bieten Brands die Möglichkeit, Ihre Kund:innen mit Kreator:innen und Influencer:innen zu vernetzen.

Und natürlich ist auch das Metaverse noch ein Thema. Da das aber noch nicht wirklich massentauglich ist, experimentiert man derzeit eher noch mit hybriden, aber eher physischen Formaten im sogenannten Multiversum.

Wir können an dieser Stelle natürlich nur einen kleinen Ausschnitt der Future 100 aufzeigen. Falls Sie an der kompletten Studie oder an einer Zusammenfassung der Top 15 interessiert sind, schicken Sie uns doch gerne eine E-Mail: peter.petermann@wundermanthompson.com

Weitere Interessen:

WEITERE ARTIKEL

Interview mit Prof. Dr. Torsten Tomczak, Universität St.Gallen

Prof. Dr. Torsten Tomczak betont, dass Künstliche Intelligenz (KI) eine der grössten Herausforderungen im…

15.06.2023 mehr lesen

Interview mit Godo Röben

Godo Röben spricht über die Bedeutung von Transformation statt Disruption und teilt seine Erfahrungen bei der…

15.06.2023 mehr lesen

Interview mit Katharina Momani, Audi Schweiz

Katharina Momani erläutert, wie Audi es geschafft hat, ihre Markenstärke in allen Bereichen auszubauen. Dabei betont…

15.06.2023 mehr lesen

book2 Themen
news News
group-work Netzwerk
mic2 Events
graduation-hat Academy